Freitag, 13. Dezember 2013

Das Wunder

Diese Geschichte hat mich wirklich berührt:

Das Wunder
Der Student rief sich noch einmal alles in Erinnerung, was man ihm bei Nikolaus-Verleihdienst eingeprägt hatte. Auf keinen Fall dürft ihr den Kinderschreck machen, hatte man ihm gesagt. Auch dann nicht, wenn die Eltern es wünschten. Der Student hatte sich alle Mühe gegeben, den frommen und guten Nikolaus darzustellen. Aber es half nichts. Das Kind schrie wie am Spieß. Die Mutter machte eine resignierte Handbewegung und gab dem Studenten ein Zeichen, das Zimmer zu verlassen.
Der aber tat, als habe er nicht verstanden. Ganz langsam nahm er die Bischofsmütze vom Kopf, zog die Brille ab und legte mit einer schnellen Handbewegung den weiten roten Mantel zur Seite. Das Kind sah dem Entkleidungsspiel mit großen Augen zu. Es vergaß zu weinen, hielt aber weiterhin die Hände auf dem Rücken verschränkt. Jetzt löste der Student den langen Bart.
Ein junges, verlegenes Gesicht kam unter dem Bart hervor. Dieses Gesicht sah lächelnd das Kind an. Das Kind studierte das Gesicht. Die Hände kamen hinter dem Rücken hervor und streichelten vorsichtig das junge Gesicht.
Schade, sagten die Erwachsenen, der ganze Zauber ist dahin. Der Student und das Kind hören es nicht. Sie lachen miteinander. Und während sie miteinander lachten und erzählten, nahm das Kind den falschen Bart, streifte ihn dem Studenten über, versuchte mit ungeschickten Händen, ihm die Mitra aufzusetzen, und gab nicht eher Ruhe, als bis der Student auch wieder den roten Mantel trug.
Der Student erzählte währenddessen die Geschichte vom Nikolaus: dass er schon lange tot und ein guter Mensch gewesen sei. Besonders zu den Kindern. Und er erzählte, dass seither junge Männer in die Rolle des Nikolaus schlüpfen, um an ihn zu erinnern.
Das Kind hörte mit großen Augen zu.
Der Zauber ist dahin, sagten die Erwachsenen.
Was uns bleibt, ist das Wunder, dachte der Student.

von P. Gerhard Eberts


Vielen Dank an die Redaktion von "der andere Advent" (sehr empfehlenswert!)
Und ganz besonders Dank an Pater Gerhard Eberts für den wirklich lieben Kontakt und die Erlaubnis seinen Text auf meinem Blog posten zu dürfen!!!
Ich freue mich wirklich sehr darüber!
... und hoffe ihr euch auch :-D

Herzliche und besinnliche Grüße
Susanne

5 Kommentare:

  1. Guten Morgen Susanne,
    ja, was für ein Zauber denn? Das arme Kind hätte wahrscheinlich traumatische Alpträume und immer ein komisches Gefühl, wenn es einen Nikolausmann sieht, selbst noch als Erwachsener. Meinen Kindern wurde ganz früh schon von Nachbarskindern erzählt, dass die Eltern die Oster- und Weihnachtsgeschenke bringen. Da war ich allerdings schon sauer, wenn man den Kindern alles erklärt, sollte man sie auch darauf aufmerksam machen, dass andere durchaus etwas anderes glauben. Meine Antwort damals: Ja, wenn man nicht mehr an ihn glaubt, dann kommt er auch nicht mehr, dann müssen das die Eltern übernehmen :-) Das hat gereicht und sie konnten sich wieder ihre eigene Welt denken.
    Jetzt ist mein kleiner zehn und behauptet, er wüsste, dass nicht das Christkind/der Weihnachtsmann die Geschenke bringt. Ich lache dann und sage, kann sein, kann nicht sein, vor Weihnachten werde ich dazu nichts sagen. Denn ich sehe es in seinen Augen, ein klein bisschen möchte er schon noch dran glauben...
    liebe Grüße und danke für die schöne Geschichte, Petra

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  2. Liebe Susanne
    das ist wirklich eine wunderschöne Geschichte! Ich kann mich sehr gut hineinfühlen, wie die Beiden alles um sich herum vergessen und zusammen lachen.....schön! ;o)
    Vielen Dank, dass du die Geschichte mit uns teilst!
    Gaaanz liebe Grüsse Dir, deiner Familie und auch dem Autor
    Isabelle

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  3. Eine wunderbare Geschichte!
    Vielen Dank dafür!
    Lg Marianne

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  4. Ooh, Gänsehaut von Kopf bis Fuß!!! :-*
    GlG Claudi

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  5. Wunderschön die Geschichte!
    LG katja

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Ich freue mich wirklich sehr über nette Kommentare!
Herzlichen Dank, dass du dir dafür Zeit nimmst!
Susanne